Der österreichische Dramenwettbewerb „ÜBER GRENZEN SPRECHEN“, Stand Januar 2011
Kurator des Projekts: Christian Papke
Mazedonien war die erste Station des für die Westbalkanstaaten konzipierten Dramenwettbewerbs „Über Grenzen sprechen“: ein Theater- und Literaturprojekt, das die Autoren einlädt, sich vornehmlich mit dem „Lebensgefühl in Zeiten politischen Wandels“ auseinanderzusetzen. Ausgehend von einer von Dr. Christian Papke im Jahr 2004 gestarteten Initiative, wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, dem P.E.N.- Club Österreich, KulturKontakt Austria, dem Translation & Linguistic Rights Committee des International P.E.N. und dem Mazedonischen Kulturministerium das Wettbewerbsprojekt ausgearbeitet und im Jahr 2005 ausgeschrieben. Das Jahr darauf folgte Serbien ebenfalls mit Unterstützung lokaler Partnerinstitutionen, allen voran der Stadt Belgrad und des dortige Kulturministeriums. Das Ergebnis des serbischen Wettbewerbs war im September 2007 im Belgrader Theater Atelje 212 in einer Inszenierung von Christian Papke im Rahmen des 41. internationalen Theaterfestivals BITEF zu sehen. Im Jahr zuvor war im Atelje 212 bereits eine szenische Lesung des mazedonischen Siegerstücks zu erleben gewesen. In Serbien wie auch 2007 in Kroatien waren die jeweiligen österreichischen Kulturforen ebenfalls Partner des Projekts. 2008 wurde das Projekt in Bosnien-Herzegovina ausgerufen. Lokaler Projektpartner war das älteste Theaterfesival der Region, das MESS-Festival. Wieder gab es rege öffentliche Anteilnahme und zahlreiche Einreichungen, in Summe mittlerweile über 100 Stücke.
2009 lief „Über Grenzen Sprechen“ in Albanien. Dortige Partner waren das Kulturministerium Albaniens sowie das Nationaltheater in Tirana. Im Frühjahr 2010 wurde das Siegerstück „Der Sandmann“ von Jonila Godole im Wiener Burgtheater der österreichischen Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Dramenwettbewerb entstand aus der Idee heraus, die Situation der unweit von Österreich beheimateten Menschen am Balkan besser kennen zu lernen und zwar über ihre zeitgenössischen, künstlerischen Leistungen. Das Projekt entspricht somit einer Einladung zu Gedankenaustausch, Dialog und Begegnung.
 
Der Wettbewerb
Die fünf bisherigen Wettbewerbe in Mazedonien, Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Albanien beherbergten eine große Zahl sprachlich sehr kraftvoller Schriftsteller. Bis zu den Einreichfristen legten insgesamt rund 100 Autorinnen und Autoren ihre neuen Stücke vor, welche eindrucksvoll die kreative Ausdruckskraft der Kulturschaffenden der teilnehmenden Länder unter Beweis stellten.
Der Siegerpreis beinhaltet neben einem Preisgeld auch die Übertragung des besten Theatertexts ins Deutsche, bis jetzt immer durch Klaus Detlef Olof, österreichischer Staatspreisträger für literarische Übersetzung, sowie eine Publikation in der Erstauflage von 11.000 Exemplaren, von denen 10.000 unter der Wiener Bevölkerung verteilt werden und 1.000 Bücher an alle wichtigen deutschsprachigen Theater und Literatur-Drehscheiben geschickt werden. Weiters bemüht sich das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten auch um die Inszenierung der Siegerstücke.
 
Die Jury
Die Jurymitglieder für den derzeit laufenden Dramenwettbewerb in Bulgarien werden erst 2011 bekannt gegeben.
Die Jurymitglieder bisher (2005-2010) finden Sie hier: (Bitte klicken Sie hier).
 
Der Wettbewerbssieger 2008/2009
Im März 2009 konnte der Dramenwettbewerb für Bosnien-Herzegovina abgeschlossen werden. Eine fünfköpfige Jury, mit dem bosnischen Star-Regisseur Dino Mustafić, der bosnischen Autorin Ferida Duraković, dem serbischen Herausgeber, Regisseur und Autor Dušan Gojkov, dem Dramaturgen und stellvertretenden Intendanten des Theater der Jugend Gerald Bauer und Regisseur Christian Papke international besetzt, ermittelte aus den eingereichten Manuskripten den Wettbewerbssieger. Die wechselnde internationale Jury unter dem Vorsitz von Dr. Papke bürgt jeweils mit ihrem Namen, dass das zeitgemäßeste Stück unter den Einreichungen als Siegerstück ausgewählt wird.
Die Jury sprach allen einreichenden AutorInnen Ihren Dank aus, an diesem Projekt der Begegnung teilgenommen zu haben, und kürte als Gewinner Zlatko Topcić.
Sein Stück „I don‘t like Mondays“ kombiniert unterschiedliche Perspektiven auf Bosnien als Splitter seiner Geschichte und spiegelt dabei auch österreichische Positionen auf kritische Weise. Das Stück reflektiert das schwierige Thema einer im Jugoslawienkrieg vergewaltigten Frau, um die 12 weitere Figuren in Einzelszenen mosaikartig angeordnet und inhaltlich oft nur angerissen werden, wobei sich der Zuschauer letztlich sein eigenes Gesamtbild im Kopf zusammensetzen muss.
Die Harschheit der Tragödie mildert der Autor durch die clevere Montage der Szenen, durch die die diversen Charaktere zusammengebracht werden. Das komplexe Stück ist meistens gut strukturiert und beinhaltet stilistisch narrative Momente, Wiederholungsschleifen und oft filmische Lösungen, die durch die Geschichte führen. Der Zuschauer wird mittels suspense-Faktor in Spannung gehalten. Die Kombination von Montagetechnik und Wiederholung führt zu einem gut gedachten Rhythmus, den es im Rahmen einer Inszenierung zu beachten gilt. Die vielen Monolog- und Dialogszenen bedürfen dabei vermutlich ebenfalls einer besonderen szenischen Lösung.
„I don‘t like Mondays“ ist eines der wenigen Stücke der diversen Einreichungen bei „Über Grenzen Sprechen“, die sich konstruktiv mit dem Krieg auseinandersetzen und dabei eine starke Frau in den Mittelpunkt der Erzählung rücken.
 
Der Wettbewerbssieger 2007/2008
Im März 2008 konnte der Dramenwettbewerb für Kroatien abgeschlossen werden. Eine fünfköpfige Jury, mit P.E.N.-Präsidenten und Herausgeber des Welttheaters Wolfgang Greisenegger, der Dramaturgin und Leiterin des Internationalen Theaterinstituts der UNESCO in Kroatien Željka Turčinović, der jungen Starautorin Tena Stivicić, Regisseur Christian Papke und der Vorjahressiegerin des Wettbewerbs Emilija Andrejević international besetzt, ermittelte aus den eingereichten Manuskripten den Wettbewerbssieger. Die wechselnde internationale Jury unter dem Vorsitz von Dr. Papke bürgt jeweils mit ihrem Namen, dass das zeitgemäßeste Stück unter den Einreichungen als Siegerstück ausgewählt wird.
Der Preisträger aus Kroatien Goran Ferčec (25) lieferte ein hochliterarisches abstraktes Werk ab: In ihrer Begründung betont die Jury die hohe sprachliche und erzählerische Qualität des Textes, die das Drama mittels stream-of-consciousness-Technik ausbreitet und den Leser in eine stark atmosphärisch geprägte, eigentümliche Gedankenwelt führt. Zunächst nicht einig war sich die Jury in der Beurteilung, ob dieser nach den Prinzipien einer Erzählung gebaute Text als Drama beurteilt werden kann. Die Jury hat sich entschieden, angesichts der aktuellen Entwicklungen im Theater, wo Texte und Textfragmente teilweise nur noch als Collagematerial für die Inszenierung dienen, den Text als Drama zuzulassen.
Ferčec entlehnt für seinen Text, der bis zum Schluss die Spannung hält, Elemente aus dem Genre des Agententhrillers, die er kombiniert mit einer akribischen, fast wissenschaftlichen Argumentationsweise. Gesellschaft wird beschrieben als Pool von Mikro-Gedankenwelten, die zueinander kompatibel sind
oder bei Begegnung Konflikte erzeugen. Kommunikation wird zum Grenzwechsel individueller Gedankenwelten.
 
 Ein Ausblick
„Über Grenzen sprechen“ wird 2010 bereits mit einem neuen Wettbewerb für Bulgarien fortgesetzt. Das Projekt wird im März 2011 abgeschlossen werden.
Die Projektrealisation in weiteren Ländern des Westbalkanraums wird evtl. in den darauf folgenden Jahren umgesetzt werden.
 
Weitere Informationen
Siehe auch Begegnungen Wien - Belgrad 2007 (Bitte klicken Sie hier)
Siehe auch Begegnungen Wien - Leipzig 2008 (Bitte klicken Sie hier)
Siehe auch Begegnungen Wien - Zagreb 2008 (Bitte klicken Sie hier)
Siehe auch Kurzinformation zur Buchpublikation 2007 (Bitte klicken Sie hier).
 
ÜBER GRENZEN SPRECHEN