Yannik Gent
Septemberknospen
 
 
Eine Inszenierung von Christian Papke
Uraufführung
Die „naive Jugend“ erklärt Rosa, zieht ihre Kraft aus der Unkenntnis des Misserfolgs – und scheitert prompt an der ersten Hürde. Die „reife Jugend“ hingegen hat sich Elastizität und Biegsamkeit erworben für große Sprünge. Drei ‚Golden Girls’ halten die Zeit für gekommen, ihre Vorstellung einer besseren Welt endlich umzusetzen. Und beginnen als erstes bei den anderen...
Wir kennen das: Das Leben entwickelt nach einer gewissen Zeit eine Art Automatismus, der dazu führt, dass alles effizienter wird. Man denkt effizienter, handelt effizienter, lächelt effizienter. Doch manchmal genügt ein bedeutungsloser Auslöser und der ganze Mechanismus sackt in sich zusammen. Dann muss man sich wieder neu erfinden, fehlgeleitete Energien zurück in richtige Bahnen lenken. Problem dabei: Gewohnte Routinen allzu abrupt umzustellen, vielleicht mal ein kleines Abenteuer einzugehen, liegt leider nur allzu gefährlich nah benachbart zur Katastrophe. Auch unsere drei Damen haben sich das ganz anders vorgestellt, sie brauchen letztlich einige Nervenstärke, um... Aber sehen Sie doch selbst.
Es sind drei liebenswerte Nervensägen, die uns Yannik Gent in seiner schwarzen Komödie aus dem Jahr 2005 präsentiert, ihr Übermut und Optimismus trotz allen Schwankens zwischen Depression und Hass wirkt ansteckend, ihre gute Energie versöhnt für manchen schrägen Einfall. Diese moderne Komödie mit ihren aktuellen Bezügen funktioniert ein bisschen wie Fernsehen, nur das mit deutlich mehr Anspruch.
Yannik Gent weiß, wovon er spricht. 1954 geboren in Antwerpen, lange Jahre als Schiffskoch auf allen Weltmeeren unterwegs, einige Jahren in Brasilien verheiratet mit einer Österreicherin, hat sein Leben schon mehrfach gedreht, Fotograf für Abenteuer- und Naturmagazine, Fußballer, Pizzeria-Inhaber, Touristguide, Autor. Regisseur Papke, selbst in Brasilien aufgewachsen, hat ihn dort kennen gelernt. Seitdem stehen sie in Briefkontakt. Nun hat ihn Gent an ein altes Versprechen erinnert.
 
Drei alte Weiber auf der Suche nach Glück und Plutonium - ein energisches Damendrama im Wr. Metropol
In einer Welt, in der wir aufgehört haben miteinander zu reden, und Eigennutz als einziges Entscheidungskriterium Gültigkeit erhält, wird der terroristische Akt zur Metapher. Eine makabre, zugegebenermaßen, doch der Tabubruch mit Augenzwinkern öffnet das Bild einer Gesellschaft, die den Ausgleich nicht mehr über den Diskurs herstellen kann, sondern Machtpotenziale in Stellung bringt. Das sich auch drei ältere Ladies auf dieses Spiel verstehen, zeigen uns Yannik Gents Septemberknospen. Ein bisschen social engineering, kein Sicherheitsexperte hätte je damit gerechnet, und die drei Damen verschaffen sich aus dem Handgelenk gewaltiges Drohpotenzial, nur Zufall oder ein Rest Verantwortungsgefühl verhindern Schlimmeres.
Dabei ist Gents Damendrama streng genommen weder politisches Theater noch ein Problemstück sondern folgt der klassischen Intrige. Drei Damen im besten Alter verwickeln einander gegenseitig in ein absurdes Komplott mit dem Ziel, die jeweils andere endlich zur Selbstfindung zu bringen. Alles, was ihr je wolltet, verspricht Rosa. Della und Sissy verschwören sich, um ihr im Gegenzug die Selbstüberforderung zu nehmen. Mit ihren Depressionen verliert Della auch den Hang zu Zigaretten und Alkohol und die etwas gekünstelt jugendliche Sissy entwickelt sich zur verantwortungsvollen lebensfrohen Persönlichkeit.
Eigentlich müssten die Septemberknospen tragisch enden. Nachdem Rosa, Della und Sissy die ihnen gesellschaftlich zugedachten Rollen verworfen haben, bliebe nur ein Leben als Outcasts, als Verfemte. Doch ein kleiner schwarzer deus ex machina stellt die Ordnung wieder her. Und das zweifach: die Damen erben – am Ende siegt wieder mal das Geld. Außerdem wird eine historische Rechnung, von der wir aus dem Prolog erfahren, wieder ausgeglichen. Anlass ist die jeweils sehr persönliche Entscheidung der Protagonistinnen, eine einschneidende Änderung in ihrem Leben vorzunehmen. Wer gibt, dem wird gegeben. Oder ist der Wendepunkt doch von der Natur selbst? Erinnern Rosas neues Haus, die von dort mitgebrachten Blumen nicht ein bisschen an die Naturmotivik bei E. M. Forster?
„Wir haben Charakterrollen jenseits der üblichen Klischees gesucht“, so Regisseur Christian Papke. „Gent hat uns Spaß gemacht! Sein Umgang mit der Erwartungsenttäuschung, seine Absurdität, aber auch seine Liebenswürdigkeit. Und er zeigt ein Bild von der zweiten Lebenshälfte, das man sonst so nicht kennt: voller Energie und Authentizität. Nach dieser Glaubwürdigkeit zu suchen und ihre Geschichte zu prägen, wäre wohl unsere Aufgabe, wollen wir dem Theater wieder Bedeutung für die eigentlich ja nicht mehr ganz junge Generation zuzuweisen.“